Gewährt ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren, kann diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter nach §10 Satz 3 Nr. 1 AGG zulässig sein.

ALTES BOOT

Ein Unternehmen gewährt Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich lediglich 34 Urlaubstage. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte die Frage zu prüfen, ob diese Urlaubsregelung gegenüber Jüngeren altersdiskriminierend ist.

Nachdem die Vorinstanzen die Zulässigkeit bereits bejaht hatten, bestätigte das BAG mit seinem Urteil vom 21.10.2014, dass diese unterschiedliche Urlaubsgewährung zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters führe, diese Benachteiligung jedoch gerechtfertigt ist.

Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach §3 Abs. 1 AGG dann gegeben, wenn eine Person wegen eines in §1 AGG genannten Grundes – hier des Lebensalters – eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Die Ungleichbehandlung wegen des Alters ist jedoch gemäß §10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt, da sie objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Sie ist zugleich erforderlich und dient der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter durch Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen – wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört – ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu.

Der Begriff „älter“ ist dabei nicht an einem konkreten Lebensalter allein festzumachen, sondern – dem Schutzzweck der Norm (§10 Satz 3 Nr. 1 AGG) entsprechend daran, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen. Ein solches Schutzbedürfnis kann sich daraus ergeben, dass mit zunehmendem Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigen kann, insbesondere wenn sich dies aus der Spezifik der ausgeübten Tätigkeit, z.B. bei körperlich belastenden Berufen, ableiten lässt.

Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte mit ihrer Einschätzung, die in ihrem Produktionsbetrieb bei der Fertigung von Schuhen körperlich ermüdende und schwere Arbeit leistenden Arbeitnehmer bedürften nach Vollendung ihres 58. Lebensjahres längerer Erholungszeiten als jüngere Arbeitnehmer, ihren Gestaltungs- und Ermessensspielraum nicht überschritten. Dies gilt auch für ihre Annahme, zwei weitere Urlaubstage seien aufgrund des erhöhten Erholungsbedürfnisses angemessen, zumal auch der Manteltarifvertrag der Schuhindustrie vom 23. April 1997, der mangels Tarifbindung der Parteien keine Anwendung fand, zwei zusätzliche Urlaubstage ab dem 58. Lebensjahr vorsah.

BAG, Urteil vom 21. 10. 2014 – 9 AZR 956/12

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