…die hatten keinen Streit – weil sie sich nicht kannten. Nach Expertenschätzungen soll etwa jedes zehnte Kind nicht von dem Mann abstammen, der sich für den Vater hältKuckucksnest. Möchten diese Scheinväter den Unterhalt, den sie für ein sogenanntes Kuckuckskind gezahlt haben, vom leiblichen Vater zurückfordern, müssen sie diesen kennen. Die Identität des leiblichen Vaters dürfte in den meisten Fällen der Mutter bekannt sein. Muss sie diese dem Scheinvater jedoch preisgeben?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in mehreren Entscheidungen einen gemäß § 242 BGB auf Treu und Glauben gestützten Auskunftsanspruch des Scheinvaters zuerkannt, so u.a. in seiner Entscheidung vom 9. 11. 2011 – XII ZR 136/09.

Der Mann hatte seine Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt. Im Rahmen eines späteren Vaterschaftsgutachtens wurde er jedoch als Vater ausgeschlossen. Der BGH ging von einer wechselseitigen Auskunftspflicht hinsichtlich der Voraussetzungen der Vaterschaft aus, die jedenfalls dann bestehe, wenn der Auskunftsberechtigte über wesentliche Informationen weder verfügt noch sich diese auf andere Weise beschaffen kann und der Auskunftspflichtige die erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann.

Danach schulde die Kindesmutter dem Scheinvater nach Treu und Glauben Auskunft über die Person des mutmaßlich leiblichen Vaters, weil der Scheinvater den nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB auf ihn übergegangenen Anspruch auf Kindes- und Betreuungsunterhalt nur dann durchsetzen kann, wenn ihm der leibliche Vater als Anspruchsgegner bekannt ist.

Nach Ansicht des BGH verstoße die Auskunftspflicht auch nicht gegen Grundrechte. Zwar sei das Recht der Kindesmutter auf Achtung der Privat- und Intimsphäre berührt, zu dem die persönlichen, auch geschlechtlichen Beziehungen zu einem Partner gehören. Das Recht sei jedoch nicht schrankenlos zu gewährleisten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Auskunftspflicht der Mutter wurden im konkreten Fall nicht gesehen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hob am 24. Februar 2015 – 1 BvR 472/14 – diese Rechtsprechung des BGH auf.

Zur Geltendmachung des Regressanspruchs ist der Scheinvater auf die Kenntnis der Person des leiblichen Vaters angewiesen. Ein Anspruch gegen die Mutter auf Auskunft, wer als mutmaßlich leiblicher Vater in Betracht kommt, ist jedoch nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt.

Die trotz Fehlens einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage richterlich herbeigeführte Verpflichtung der Mutter zur Auskunftserteilung überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter schützt mit der Privat- und Intimsphäre auch Aspekte des Geschlechtslebens und das Interesse, diese nicht offenbaren zu müssen. Dem steht das Interesse des Scheinvaters an der Durchsetzung seines Regressanspruchs gegenüber. Eine Verpflichtung der Mutter, dem Scheinvater zur Durchsetzung seines Regressanspruchs auch gegen ihren Willen Auskunft über die Person des Vaters zu erteilen, ist verfassungsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen.

Die gerichtliche Verpflichtung der Mutter, zur Durchsetzung eines Regressanspruchs des Scheinvaters Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen, überschreitet jedoch unabhängig von den konkreten Umständen des vorliegenden Falls die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil es hierfür an einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht fehlt. Die Beschwerdeführerin ist dadurch in ihren Grundrechten verletzt (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).

Auf die Generalklausel des § 242 BGB lässt sich ein Anspruch des Scheinvaters gegen die Mutter, diesem zur Durchsetzung seines gegen den leiblichen Vater des Kindes gerichteten Regressanspruchs aus § 1607 Abs. 3 BGB Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters zu erteilen, nicht stützen.

Vielmehr setzt die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter zur Preisgabe des Partners oder der Partner geschlechtlicher Beziehungen konkretere gesetzliche Anknüpfungspunkte voraus, aus denen sich ablesen lässt, dass eine Mutter zur Auskunftserteilung der fraglichen Art verpflichtet ist.

In § 1605 BGB ist die Verpflichtung Verwandter geregelt, einander erforderlichenfalls über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen. Eine Verpflichtung der Mutter, Auskunft über geschlechtliche Beziehungen zu einem Partner zu erteilen, findet sich hingegen nicht, obwohl es auf der Hand liegt, dass zur Durchsetzung eines Regressanspruchs die Kenntnis des Erzeugers erforderlich ist und dass in vielen Fällen allein die Mutter Hinweise auf die Person des Erzeugers geben könnte.

Es bleibt nunmehr Sache des Gesetzgebers, den Regressanspruch des Scheinvaters zu stärken. Dabei wird allerdings dem entgegenstehenden Persönlichkeitsrecht der Mutter Rechnung zu tragen sein.

Solange der Auskunftsanspruch nicht gesetzlich geregelt ist, bleibt es dem Scheinvater somit verwehrt, den Erzeuger kennenzulernen, um seine Regressansprüche durchsetzen zu können – es sei denn, es stehen ihm neben dem unzugänglichen Wissen der Mutter andere Erkenntnisquellen zur Verfügung.

BVG – 1 BvR 472/14

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